Cash-und-Debt-Free-Klausel bei M&A-Transaktionen

Bei den meisten Unternehmenstransaktionen wird eine Kaufpreisanpassung auf Basis einer Cash-und-Debt-Free-Klausel vereinbart. Viele Inhaber können mit dieser Bezeichnung wenig bis gar nichts anfangen. Das ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass die Bezeichnung aus dem Englischen stammt, sondern liegt hauptsächlich daran, dass das Zusammenspiel von Unternehmensbewertung und Kaufpreisdefinition und seine Folgen für die Kaufpreisabgrenzung bei Unternehmensübergabe den meisten Inhabern nicht bekannt ist. In diesem Fachbeitrag gehen wir auf die grundlegende Problematik, die Definitionen der damit zusammenhängenden Faktoren und eine beispielhafte Gestaltung einer Cash-und-Debt-Free-Klausel ein.

Die Grundproblematik bei der Kaufpreisfindung und Unternehmensübergabe

Die Kaufpreisfindung durch eine Cash-und-Debt-Free-Klausel löst drei große Probleme bei der Kaufpreisfindung und hat sich dadurch zu einem gängigen Standard von Kaufpreisanpassungen in Unternehmenskaufverträgen entwickelt.

Nr.LeistungErklärung
1.UnternehmensbewertungBei Unternehmensbewertungen, die auf dem Ertragswert oder Geldfluss (Cashflow) basieren, werden die zukünftigen Erträge prognostiziert und mit einem Abzinsungsfaktor auf den heutigen Barwert ermittelt. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Anlagevermögen betriebsnotwendig ist. Allerdings erhöhen die liquiden Mittel (Cash) den Unternehmenswert Euro um Euro, während die Verbindlichkeiten (Debt) ihn im selben Maße reduzieren. Deshalb werden diese beiden Positionen, „Cash“ und „Debt“, gesondert betrachtet.
2.Gültige Formel für den gesamten VerkaufsprozessUnternehmen sind dynamische Organisationen. Ihre wirtschaftlichen Bedingungen, u. a. die Vermögenssituation, verändern sich ständig. Einfache Beispiele dafür sind die täglichen Veränderungen der liquiden Mittel, der Umschlag des Warenlagers oder die Höhe der Verbindlichkeiten. Nun möchte sowohl der Käufer als auch der Verkäufer im Rahmen des Verkaufsprozesses so früh wie möglich eine einvernehmliche Preisfindung erzielen. Dafür dient häufig das Instrument eines vorläufigen Bruttokaufpreises mit einer Anpassung auf Basis einer Cash-und-Debt-Free-Klausel.
3.Klare Vermögensabgrenzung bei ÜbergabeDie genaue Abgrenzung erfolgt dann häufig auf Basis einer Abgrenzungsbilanz, die vor oder nach dem Vollzug der Transaktion erstellt wird. Durch die Anpassung mittels der Cash-und-Debt-Free-Klausel erhalten beide Parteien die Sicherheit, dass sie genau die vereinbarte Summe an Vermögenswerten erhalten bzw. bezahlen.

 

Die Überleitung zum Nettokaufpreis durch eine Cash-und-Debt-Free-Klausel

Um die Formel genauer zu erklären, stellen wir diese im Folgenden textlich, formeltechnisch und tabellarisch dar.

Textlich: Der finale Nettokaufpreis errechnet sich grundsätzlich aus dem vorläufigen Kaufpreis (Bruttokaufpreis) zuzüglich der Barmittel-Positionen (Cash) und abzüglich der Verbindlichkeiten-Positionen (Debt), zuzüglich einer eventuellen Abweichung des Referenz-Umlaufvermögens zum Netto-Umlaufvermögen. Die konkreten Werte ergeben sich aus dem maßgeblichen Jahresabschluss zu einem festgelegten Zeitpunkt.

Formeltechnisch: finaler Nettokaufpreis = vorläufiger Kaufpreis (Bruttokaufpreis) + Barmittel (Cash) – Verbindlichkeiten (Debt) +/- Anpassung Umlaufvermögen

Tabellarisch:

BerechnungsmethodikFachjargon
vorläufiger Kaufpreis Bruttokaufpreis
+ Barmittel/liquide Mittel+ Cash
–  Verbindlichkeiten–  Debt
+/- untypische Abweichung Nettoumlaufvermögen+/- Abweichung Working Capital
= finaler Kaufpreis = Nettokaufpreis

Durch die Aufnahme einer Cash-und-Debt-Free-Klausel kann somit sehr früh im Verhandlungsprozess ein vorläufiger Kaufpreis (Bruttokaufpreis) vereinbart werden. Dadurch sind beide Parteien vor Überraschungen geschützt und die Veränderungen der Vermögenspositionen sind im Rahmen der Cash-und-Debt-Free-Klausel berücksichtigt. Häufig wird noch eine untypische Abweichung vom Nettoumlaufvermögen in die finale Überleitung mit aufgenommen. Der Grund dafür ist, dass der Verkäufer keinen Anreiz hat, das Warenlager abzuverkaufen oder die Forderungen durch Rabatte schnell einzutreiben. Somit haben beide Parteien die Sicherheit, dass bei der finalen Übergabe die aktuelle Situation der Vermögenssituation berücksichtigt wird.

 

Definition und Berechnung der Cash- und Debt-Positionen

Bei der Festlegung der einzubeziehenden Positionen gibt es keinen Standard und keine gesetzlichen Vorgaben. Die beiden Parteien sind somit gezwungen, sich auf eine genaue Definition der zu inkludierenden Bilanzpositionen zu einigen.

Der Verkäufer möchte möglichst viele Positionen unter die Cash-Positionen aufnehmen und nur ein Minimum an Verbindlichkeiten ansetzen. Der Käufer hat die umgekehrte Zielsetzung. Aufgrund dieses Zielkonflikts entbrennt häufig eine herzhafte Diskussion, vor allem um die Debt-Positionen.

Für die letztliche Quelle der Positionen vereinbaren die Parteien häufig den folgenden Wortlaut:

„Nach Vorliegen des maßgeblichen Jahresabschlusses XXX wird die Barmittel-Position sowie die Verbindlichkeit-Position folgendermaßen berechnet (zur Klarstellung sind beispielhaft Werte aus dem letzten Jahresabschluss von XXX verwendet worden).“

 

Cash-Positionenbeispielhafte Werte
Barmittel810.000 €
davon betriebsnotwendig*(200.000) €
sonstige Vermögensgegenstände100.500 €
Summe Cash-Positionen700.500 €
Debt-Positionenbeispielhafte Werte
Finanzverbindlichkeiten(60.000) €
Steuerverbindlichkeiten(65.000) €
sonstige Verbindlichkeiten(220.000) €
Rückstellungen(185.000) €
Summe Debt-Positionen(530.000) €
Kaufpreiserhöhung (+) oder Kaufpreisminderung (-) = (Net Cash oder Net Debt)170.500 €

*Der Käufer wird immer darauf drängen, dass eine gewisse Liquidität als betriebsnotwendig klassifiziert wird. Dafür bringt er die Bewertungspraxis als Argument ins Spiel. Denn die Firma benötigt auch eine ausreichende betriebsnotwendige Liquidität, um ihre Geschäfte zu betreiben. Diese darf nicht kaufpreiserhöhend berücksichtigt werden, denn die betriebsnotwendige Liquidität kann nicht ausgeschüttet werden, sondern wird für die Fortführung des Betriebs, die Aufrechterhaltung des Arbeitskapitals benötigt.

 

Manipulation bei einer Cash-und-Debt-Free-Anpassung

Wie bereits erwähnt, bestehen die meisten Käufer auf einer Anpassung beim Unterschreiten eines typischen Nettoumlaufvermögens. So soll verhindert werden, dass Umlaufvermögen liquidiert wird, um so den Kaufpreis zu erhöhen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Spielräume und Manipulationsmaßnahmen, die der Käufer normalerweise durch entsprechende Klauseln und Garantien im Kaufvertrag eindämmen bzw. verhindern will. Nachfolgend einige Beispiele:

VorgängeErklärungen
Abverkauf Anlagevermögen (Aktivtausch)Da das Anlagevermögen in der Abgrenzungsanpassung mit einer Cash-und-Debt-Free-Klausel nicht vorkommt, ist es besonders anfällig für Manipulationen. So könnten Grundstücke, Immobilien, Maschinen, Pkws, Lizenzen etc. noch vor der Übergabe verkauft werden. Dadurch gehen die liquiden Mittel hoch und gleichzeitig der Kaufpreis.
mieten statt kaufenErsatzinvestitionen könnten nicht durch Kauf, sondern durch Mieten ersetzt werden. Dadurch haben nur die deutlich geringeren Mietaufwendungen und nicht die Anschaffungskosten (Abfluss Liquidität) einen Einfluss auf die Abgrenzung.
Unterlassen von InvestitionenNotwendige Investitionen könnten komplett unterlassen und auf den Zeitraum nach der Übergabe verschoben werden. Dadurch würde die Position der liquiden Mittel nicht reduziert werden.
Vorziehen von UmsätzenDie Abrechnungsmethodik könnte von jährlichen auf monatliche Rechnungen umgestellt werden. Somit würden die Umsätze und die Forderungen aus Lieferung und Leistung kurzfristig kaufpreiserhöhend wirken.
Unterlassen von AufwendungenDer Verkäufer könnte komplette Aufwendungen, wie zum Beispiel für die neue Broschüre, für Marketingaktionen oder die Neueinstellung von Personal, stoppen oder sogar Personal abbauen.

 

Fazit: Cash-und-Debt-Free-Klausel bei M&A-Transaktionen

Die meisten Inhaber interpretieren diese Bezeichnung falsch. Viele fragen uns, ob sie vor dem Kaufvertragsvollzug wirklich noch alle Verbindlichkeiten zurückführen müssen oder die gesamte Liquidität entnehmen können. Wir haben schon erlebt, dass sie das tatsächlich getan haben. Der Leitgedanke hinter einer Cash-und-Debt-Free-Anpassung ist aber ein ganz anderer. Denn die Cash-und-Debt-Free-Klausel ist eher ein Bewertungs-, Abgrenzungs- und Vermögenssicherungsinstrument. Durch sie haben alle Parteien sehr früh im Verhandlungsprozess Klarheit über die Bewertungsannahmen (Bruttokaufpreis) und die Überleitung zum finalen Nettokaufpreis. Inhaber sind gut beraten, wenn sie sich für die genaue Definition und Ausformulierung der Cash-und-Debt-Free-Klausel professionelle Unterstützung holen. Denn das Zusammenspiel zwischen Bewertung, Kaufpreisdefinition, Kaufpreisabgrenzung und Unternehmenskaufvertrag ist relativ vielschichtig und kann den Kaufpreis am Ende schnell um sechsstellige Summen erhöhen oder verringern.