Der Umgang mit stillen Reserven beim Unternehmensverkauf

Stille Reserven

Viele Inhaber haben in den erfolgreichen Geschäftsjahren stille Reserven gebildet. Diese diente der Reduktion der Steuerlast und der Liquiditätsschonung. Die Praxis ist weitverbreitet und nachvollziehbar. Schließlich kann kein Inhaber in die Zukunft schauen und etwas mehr Liquidität und ein Polster für schlechte Tage können nie schaden. In diesem Fachbeitrag gehen wir auf Probleme ein, die daraus entstehen  und geben einige Empfehlungen im Umgang mit stillen Reserven beim Unternehmensverkauf.

Was sind stille Reserven?

Stille Reserven sind nichtbilanzielle Rücklagen oder Bewertungsreserven, wodurch das Eigenkapital niedriger als tatsächlich dargestellt wird. Somit wird die Firma im Rahmen der Erfolgsrechnung (reduzierte Ertragskraft) und der Bilanz (geringeres Eigenkapital) schlechter dargestellt.

Für die Bildung von stillen Reserven gibt es zwei grundsetzliche Möglichkeiten:

  • Unterbewertung von Vermögenswerten
  • Überbewertung von Schulden

Die nachfolgende Tabelle führt die wesentlichen Arten der Bildung von stillen Reserven auf, welchen wir in unserem täglichen Verkaufsalltag von kleineren und mittleren Unternehmen am Meisten begegnen:

 

Art:Beschreibung
WarenlagerDas Warenlager bietet häufig den größten Hebel für die Bildung von stillen Reserven. Häufig werden Warenbestände in den Materialaufwand gebucht, obwohl die Ware noch auf Lager liegt. Somit steigt der Materialaufwand, der Ertrag sowie die Position ‚Warenlager‘ werden unterbewertet.
Angefangene ArbeitenVor allem im Projektgeschäft werden die angefangenen Arbeiten vom Inhaber bewertet und festgelegt. Hier gibt es ausreichenden Spielraum für Unterbewertungen. Somit wird die Höhe der Gesamtleistung reduziert und der Ertrag gemindert.
Periodengerechte VerbuchungJeder Inhaber schaut in den letzten zwei Monaten, wie erfolgreich das Geschäftsjahr verlaufen ist. Gerade im Projektgeschäft gibt es die Möglichkeit, die Rechnungsstellung oder die Bilanzierung der angefangenen Arbeiten in das neue Jahr zu schieben. Somit wird die fällige Steuerlast durch einen geringeren Ertrag reduziert. Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen nur um eine Steuer- und Ertragsstundung.
GewährleistungenJeder Inhaber muss für Gewährleistungen aus Lieferungen und Leistungen Eventualverbindlichkeiten bilanzieren. Hier nutzen viele Inhaber den Spielraum und bilden Rückstellungen für gelieferte Produkte oder geleistete Dienstleistungen, obwohl Sie genau wissen, dass diese wohl nie oder nicht vollständig in Anspruch genommen werden.

 

 

Probleme von stillen Reserven beim Unternehmensverkauf

So effektiv stille Reserven für die Liquiditätsschonung und die Reduktion oder Verschiebung der Steuerlast auch sind, im Rahmen des Firmenverkaufs verursachen stille Reserven einige Herausforderungen:

  • Reduzierter Ertrag und Kaufpreis: Die ausgewiesenen Erträge in den vergangenen Jahresabschlüssen und BWAs sind um die stillen Reserven reduziert. Ohne genaue und nachvollziehbare Informationen an den Käufer zu liefern, geht dieser somit von einer ertragsschwächeren Firma aus. Dies wird sich in einem niedrigeren Kaufpreis wiederspiegeln. Somit müssen die stillen Reserven und deren Bildung pro Geschäftsjahr offengelegt werden.
  • Verzerrtes Bilanzbild. Teilweise werden Vermögenswerte niedriger oder Verbindlichkeiten höher ausgewiesen. Bei allen stillen Reserven wird das Eigenkapital niedriger ausgewiesen und somit die Ausschüttungsfähigkeit bei Körperschaften reduziert. Darüber hinaus haben Kreditinstitute Probleme, stille Reserven nachzuvollziehen und zu bewerten. Somit können Probleme bei der Sicherstellung der Fremdfinanzierung entstehen.
  • Latente Steuern: Alle stillen Reserven reduzieren die Steuerlast. Sollte nun bei einer staatlichen Betriebsprüfung festgestellt werden, dass unverhältnismäßig hohe stille Reserven gebildet worden sind, dann ist ggfs. die Steuerlast plus Säumniszinszuschlag (wie z.B. 6%) rückwirkend fällig. Im Unternehmenskaufvertrag werden solche Risiken normalerweise den verschiedenen Parteien zugeordnet. Wenn stille Reserven offen gelegt werden, dann muss der Verkäufer dieses nachträgliche Steuerrisko durch eine Freistellung oder Garantie tragen. Dennoch muss beim Verkauf einer GmbH als erstes die GmbH selber für die Steuerverbindlichkeit einstehen und diese umgehend begleichen. Bei signifikanten Beträgen kann so eine sofort fällige Nachzahlung für die GmbH auch schnell zu einem Liquiditätsengpass führen.
  • Arglistige Täuschung: Auch beim Unternehmensverkauf sorgt der Gesetzgeber für Verbraucherschutz. Somit können die Vertragsparteien (Käufer und Verkäufer) im Kaufvertrag einen Rücktritt oder eine Rückabwicklung ausschließen. Dennoch kann ein Unternehmensverkauf rückgängig gemacht werden, wenn der Käufer arglistig vom Verkäufer über die Beschaffenheit der Unternehmung (wie z.B. die Ertragsfähigkeit oder die historische Wachstumsrate) getäuscht wurde. Gerade die Angaben über die Höhe der gebildeten oder aufgelösten stillen Reserven oder nicht periodengerechte Verbuchung, wodurch eine Schönung des Wachstums im Veräußerungsjahr unterstellt wird, können einen Arglistvorwurf auslösen.

 

Was sollten Inhaber bzgl. der stillen Reserven tun?

Ein Unternehmensverkauf dauert in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten. Teilweise kann der Verkaufsprozess sogar länger dauern. Deshalb können wir auch keinem Inhaber pauschal empfehlen, alle stillen Reserven sofort aufzulösen und umgehend die höhere Steuerlast auf sich zu nehmen.

Wir plädieren aber für eine nachvollziehbare Dokumentation jeglicher stillen Reserven, damit Sie im Rahmen des Unternehmensverkaufs auch die wahre historische Ertragskraft Ihrer Firma darstellen können. Nur somit können Sie auch den besten Preis erzielen und erfüllen nebenbei auch Ihre Offenlegungspflicht und setzen den Käufer vollständig in Kenntnis. Für die Nachvollziehbarkeit der gesamten stillen Reserven sowie der Bildung und Auflösung der stillen Reserven für jedes zurückliegende Geschäftsjahr empfehlen wir, dass neben der offiziellen Inventur auch die tatsächlichen Werte per 31. Dezember festgehalten werden. Nur so können Sie auch noch in fünf Jahren, wenn Sie Ihre Firma verkaufen wollen, auch nachweislich belegen, welche stillen Reserven Sie in diesem Geschäftsjahr gebildet oder aufgelöst haben.

Stille Reserven Unternehmensverkauf

Das Wichtigste ist ein transparenter und nachvollziehbarer Umgang mit der Bildung sowie der anstehenden Auflösung oder Übertragung der stillen Reserven. Dem Käufer sollten die tatsächlichen sowie die gebildeten und aufgelösten stillen Reserven nachvollziehbar offengelegt werden. Wenn möglich lösen Sie die stillen Reserven vor dem Vollzug auf. Aber auch hier sollte der Käufer vorab über die Auflösung nachweislich informiert werden, nicht dass Ihnen „Frisieren der aktuellen Geschäftszahlen“ vorgeworfen wird. Der Käufer muss umfassend informiert werden und sollte die Thematik ’stille Reserven‘ in seiner Preiskalkulation noch vor der Auflösung berücksichtigen, dann läuft auch jeder Arglistvorwurf ins Leere!