Der Umgang mit aufgelaufenem Bilanzgewinn beim Unternehmensverkauf

Umgang aufgelaufene Gewinne Unternehmensverkauf

Beim Verkauf einer GmbH stellen sich viele Inhaber die Frage: Was passiert eigentlich mit dem aufgelaufenen Bilanzgewinn beim Unternehmensverkauf? Die Frage ist nachvollziehbar, aber leider nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr erfordert die Beantwortung etwas Grundverständnis für die Abwicklung eines GmbH-Verkaufs und die Berücksichtigung der individuellen Verhandlungssituation.

Was wird eigentlich verkauft?

Beim Verkauf einer Personengesellschaft werden nur ausgewählte Wirtschaftsgüter verkauft und an den Käufer übertragen. Diese Transaktionsform wird im Fachjargon auch „Asset-Deal“ genannt. Bei diesem werden in den meisten Fällen keine liquiden Mittel oder Forderungen mitverkauft. Somit stellt sich die Frage für den Umgang mit den aufgelaufenen Bilanzgewinnen hier nicht.

Beim Verkauf einer Kapitalgesellschaft (u.a. einer GmbH) gehen alle Vermögenswerte sowie Verpflichtungen mit der GmbH auf den Käufer über, da hier nur die Geschäftsanteile an der GmbH verkauft und übertragen werden. Diese Transaktionsform wird im Fachjargon „Share-Deal“ genannt. Somit gehen beim Share-Deal auch alle aufgelaufenen Bilanzgewinne mit der GmbH auf den Käufer über. Allerdings wird in den meisten Fällen im Rahmen der Verkaufsverhandlung ein bestimmter Referenzwert für den Vermögenszustand (z.B. Eigenkapital) bei Übertragung definiert.

Wie werden dann die aufgelaufenen Bilanzgewinne im Kaufpreis berücksichtigt?

Bevor wir diese Frage beantworten, muss erst die übliche Kaufpreisermittlungsmethodik erklärt werden. Häufig bietet ein Unternehmenskäufer einen vorläufigen Kaufpreis. Dieser wird an eine genau definierte Vermögenssituation (häufig das Eigenkapital) gebunden. So könnte ein Käufer einen Kaufpreis von 2 Mio. Euro bieten bei einem Eigenkapital von 400.000 Euro. Nach der Vertragsunterschrift und bei Kaufvertragsvollzug wird per Stichtag (Übergabedatum) eine Abgrenzungsbilanz erstellt. Diese ermittelt genau, wie hoch das Eigenkapital (oder die definierte Vermögenskennzahl) per Vollzug ist. Ist das Eigenkapital per Vollzug höher als die vereinbarte Referenzgröße von 400.000 Euro, dann erhöht sich der Kaufpreis um diesen Betrag.  Ist das Eigenkapital niedriger, dann reduziert sich der vorläufige Kaufpreis nachträglich um die Differenz zum Referenzwert.

Nachfolgend ist das oben genannte Beispiel nochmals ausführlicher dargestellt:

1.Vorläufiger KaufpreisDer vorläufige Kaufpreis beträgt 2,0 Mio. Euro. bei einem Referenz-Eigenkapital von EUR 400.000.

 

2.Referenzwert Kaufpreis-anpassung nach VollzugDie Parteien vereinbaren als Referenzwert für die Kaufpreisbemessung das Eigenkapital. Dieses ist wie folgt definiert:

 

Definition Eigenkapital gemäß HGB:

+      Anlagevermögen

+      Umlaufvermögen

+      Aktive Rechnungsabgrenzungsposten

–             Rückstellungen

–             Verbindlichkeiten

–          Passive Rechnungsabgrenzungsposten

 

Die Abgrenzung erfolgt gemäß offiziellem Jahresabschluss per Stichtag (Übergabe). Der Jahresabschluss wird vom aktuellen Steuerberater des Verkäufers erstellt und bis spätestens 12 Wochen nach der Übergabe vorgelegt.

 

3.Finale Kaufpreis-berechnungDie Berechnungsformel für den finalen Kaufpreis lautet:

+ Vorläufiger Kaufpreis                       2.000.000,00 €

–  Referenz Eigenkapital                         -400.000,00 €

+ Eigenkapital per Stichtag                               xxx,xx €

Finaler Kaufpreis                                                 xxx,xx €

 

Beispiel Kaufpreisberechnung per 31.12.2015 (wenn zu diesem Zeitpunkt verkauft worden wäre)

Zur Ermittlung des Eigenkapital würde der offizielle Jahresabschluss per 31.12.2015 herangezogen. In diesem betrug das Eigenkapital beispielhaft 923.519,92 Euro.

 

Finale Kaufpreisbestimmung

+ Vorläufiger Kaufpreis                     2.000.000,00 €

–  Referenz Eigenkapital                      -400.000,00 €

+ Tat. Eigenkapital per 31.12.2015       923.519,92 €

Finaler Kaufpreis per 31.12.2015:       .523.519,92 €

 

Die Parteien vereinbaren, dass der Verkäufer berechtigt ist, vor Übergabe der Unternehmung eine Dividende auszuschütten wenn die Liquidität der Unternehmung es zulässt, damit das Eigenkapital den Wert von 500.000 Euro per Stichtag nicht überschreitet.

 

 

Übliche Vertragspraxis für den aufgelaufenen Bilanzgewinn

Letztendlich hat kein Käufer ein Interesse, das volle Portmonnaie mit zu kaufen, wenn der aufgelaufene Bilanzgewinn nicht betriebsnotwendiges Kapital darstellt. Soll heißen, wenn der aufgelaufene Bilanzgewinn nicht wirklich von der GmbH als operatives Arbeitskapital benötigt wird, dann stellt dieser überschüssiges Kapital dar.

Viele Inhaber schütten Bilanzgewinne nicht aus steuerlichen Gründen sofort aus. Häufig wird dieses (versteuerte Kapital) in der GmbH belassen, da somit auf privater Inhaberebene die Kapitalertragssteuer (Teileinkünfteverfahren oder Abgeltungssteuer von ca. 26,3% bis 30%) eingespart wird. Jeder Verkäufer sollte nun wissen, dass der Veräußerungserlös (Verkaufspreis abzgl. Kosten) genauso wie eine Dividendenausschüttung besteuert wird. Somit macht es für den Verkäufer keinen Unterschied, ob er das Geld von der GmbH via Dividende oder durch einen höheren Kaufpreis erhält. Die Vorabausschüttung spart höchstens Kosten einer Erfolgsprovision von einem Unternehmens-Broker sowie Kosten für Notar-Anderkonto und Notarkosten für die Kaufvertragsbeurkundung.

Für den Käufer stellt sich die steuerliche Situation allerdings anders dar. Der Kaufpreis für eine GmbH kann nicht planmäßig abgeschrieben werden, sondern muss in der vollen Höhe als Anlagevermögen bilanziert werden. Somit hat der Käufer ein großes Interesse, dass er nicht unnötiges Betriebskapital (wie z.B. aufgelaufene Bilanzgewinne) miterwirbt, welches er für den operativen Betrieb nicht wirklich benötigt. Daher sind Käufer häufig auch sehr aufgeschlossen gegenüber einer verhältnismäßigen Vorabausschüttung in Form einer Dividende vor der Übergabe. Üblicherweise vereinbaren die Parteien neben dem Referenzwert für das Eigenkapital (oben 400.000 Euro) eine Bandbreite von maximalem und minimalem Wert. Somit wird sichergestellt, dass die Parteien eine schlanke Transaktion mit einer planbaren Finanzierungshöhe umsetzen können.

Firmenverkauf Bilanzgewinn

Voraussetzungen für die Ausschüttung von aufgelaufenem Bilanzgewinn vor Übergabe

  • Für eine Dividendenausschüttung bedarf es Bilanzgewinn oder Eigenkapitalrücklagen
  • Die Liquidität in Form von flüssigen Mitteln muss vorhanden sein, damit die Ausschüttung auch durchgeführt werden kann
  • Der GmbH darf nicht zu viel Liquidität entzogen werden, sodass keine Zahlungsunfähigkeit entsteht
  • Klare vertragliche Einigung und Regelung mit dem Käufer bzgl. der Vorabausschüttung vom aufgelaufenen Bilanzgewinn

Fazit: Umgang mit aufgelaufenen Bilanzgewinnen vor einem Unternehmensverkauf

Der Bilanzgewinn ist im Rahmen des Verkaufsprozesses eine Verhandlungsmasse. Beide Parteien werden versuchen zu definieren und zu argumentieren, wieviel Eigenkapital benötigt wird, um die Firma adäquat fortlaufend zu finanzieren. Nach einer Einigung auf diese Kennzahl haben beide Parteien ein großes Interesse, die Transaktion schlank und kosteneffizient zu gestalten. Hierbei ist die Vorabausschüttung des aufgelaufenen Bilanzgewinns ein bewährtes Mittel, um den Verkäufer-Netto-Zufluss zu optimieren und die Erstehungskosten für den Käufer minimal zu halten. Allerdings setzt die Verwendung dieses Instruments ausreichend Liquidität für eine Dividendenausschüttung voraus. Die genaue Planung und Abschätzung der Liquidität ist allerdings nicht immer einfach (vor allem im Anlagengeschäft). Besonders der Zahlungseingang von ausstehenden Forderungen, die Lagerhaltung,  die Abwicklung von angefangenen Arbeiten sowie die anschließende Fakturierung unterliegen vielen Bedingungen. Hier gilt es, Augenmaß zu behalten und alle Umstände im Unternehmenskaufvertrag aufzunehmen, sodass beide Parteien die notwendige Sicherheit bei größtmöglicher Flexibilität erhalten.