Produktverkauf oder Unternehmensverkauf ?
Viele Inhaber sind anfänglich überzeugt, dass es sich bei Ihrer Nachfolgeregelung gar nicht um einen Unternehmensverkauf sondern eher und nur um einen Produktverkauf handelt. Diese Vorstellung ist vor allem bei Softwareunternehmen sowie bei Unternehmen mit eigens entwickelten Produkten stark ausgeprägt. In den initialen Sondierungsgesprächen mit uns als Unternehmens-Broker erklären uns diese Inhaber häufig die Vorzüge, Funktionen und das riesige ökonomische Potential Ihres Produktes. Bei Softwareunternehmen wird auf die langen und vielen Mannentwicklungsjahre verwiesen und nun wäre die Entwicklung fertig – und alles sei „Plug and Play“. Bei geschützten Produkten werden die Patente, Geschmacksmuster sowie die erfolgreiche Zertifizierung und Markteinführung in den Vordergrund gestellt. Die vorhandene Organisation, bestehend aus Personal, Vertriebs- und Marketingsystem, Marketingunterlagen, der IT Infrastruktur sowie der gesamten betrieblichen Abwicklung scheinen eher untergeordnete Priorität und Wert zu besitzen.
Nach unserer Erfahrung könnte die Wahrheit nicht weiter entfernt sein und in den meisten Fällen lohnt es sich für den Inhaber, das Verkaufsprojekt nicht als reinen Produktverkauf sondern als einen Unternehmensverkauf zu verstehen und dementsprechend auszurichten. Nachfolgend gehen wir auf die Gründe und Erfahrungen ein, welche zu unserer Einschätzung führen.
Was sucht ein Käufer/Investor?
Die meisten Käufer und Investoren suchen nach einem unternehmerischen System, welche folgende Eigenschaften aufweist:
- Hohe Ertragskraft bei geringen zusätzlichen Aufwendungen und Investitionen neben dem vereinbarten Kaufpreis
- Positiven und hohen Geldfluss, damit der Kapitaldienst geleistet und der Kaufpreis schnellstmöglich amortisiert werden kann
- Geringe Abhängigkeiten (u.a. vom Inhaber, Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern aber auch von Produkten und Branchen)
- Historische Dokumentation, Beweise und Demonstration für ein funktionierendes Geschäftsmodell inkl. Erträge, Geldfluss, Kunden, Mitarbeiterstruktur, Abwicklungssysteme, IT, Prozesse etc.
- Großes Zukunftspotential und Wachstum
- Geringes Risiko nach der Übernahme/Integration und reibungslose Fortführung der Geschäfte
Wenn wir die idealen Käuferanforderungen anlegen und einen Produktverkauf zugrunde legen, dann hat jeder Produktverkauf mit fast allen oben aufgeführten Punkten (außer Punkt 5) Probleme, diese zu erfüllen.
Nehmen wir die Ertragskraft! Hier legen Käufer äußerst selten die Produktmargen (wie z.B. Roherträge) als Maßstab an. Viel entscheidender sind die Erträge auf Unternehmensebene inklusive aller betrieblichen Aufwendungen. Da jedes funktionierende Geschäftsmodell (siehe Punkt 4) immer einige betriebliche Voraussetzungen erfordert, kann die wirkliche Rentabilität nur unter Berücksichtigung der Kostenstruktur des Abwicklungssystems (Mitarbeiter, Räumlichkeiten, IT, Marketing- und Vertriebskosten etc.) bewertet werden. Wenn alle diese Dinge nicht mitverkauft und übernommen werden, dann muss der Käufer diese Dinge bereitstellen und signifikante, weitere Investitionen neben dem Kaufpreis tätigen (Verletzung Punkt 1). Gerade bei großen Käufern (Umsatz oberhalb von 50 Mio. Euro) sind diese Strukturkosten eigentlich immer höher als bei kleinen Betrieben. Somit sinkt die Ertragskraft und die Attraktivität eines reinen Produktkaufs – oft möchten diese großen Firmen genau diesen Vorteil miterwerben und beibehalten!
Die Mär vom idealen Käufer in Form eines großen Konzerns
Viele Inhaber sind überzeugt, dass Ihre Erfindung oder Produktentwicklung in den Händen von einem großen Konzern mit dessen Vertriebsstrukturen und –präsenz wie ein Sechser im Lotto sind. Die Logik ist nachvollziehbar, aber die Realität ist eine andere. Ja, es ist richtig, dass ein großer Konzern über viele Vertriebsmitarbeiter und Möglichkeiten verfügt. Leider wird häufig unterschlagen, dass alle diese Mitarbeiter bereits ein Kerngeschäft haben und somit bereits vollkommen ausgelastet sind.
Darüber hinaus denken Konzerne nicht in Umsatzsprüngen von 2 oder sogar 5 Millionen Euro. Vorstände und Geschäftsführer großer Unternehmen suchen nach den nächsten 50 bis 100 Millionen Euro Umsatz. Die wenigsten eigenständig entwickelten Produkte bieten ein solches Umsatzpotential und somit hat ein Produktkauf, mit heute vielleicht 1 Mio. Umsatz, wenig Priorität und Attraktivität für ein großes Unternehmen.
Gehen wir einen Schritt weiter. Stellen Sie sich den ersten Tag nach dem Produktverkauf im Konzern vor und welche Probleme dann auftreten:
- Wo ist die Dokumentation?
- Wie nehmen wir die Bestellung auf?
- Wie bekommen wir die Produkte auf unsere Webseite?
- Wer kümmert sich um die Produktion?
- Wie machen wir die Logistik und den Verkauf?
- Wer macht das Marketing und Kundensupport?
- Wie entwickeln wir die Produkte weiter?
Und, und, und .…. für einen Konzern sind alle diese Fragen das größte Horrorszenario. Jeder Geschäftsführer eines großen Konzerns oder eines mittelständigen Unternehmens weiß genau, was seine Mitarbeiter zu leisten imstande sind. Die anstehende Aufgabe nach einem reinen Produktzukauf erfordert aber das Vorhandensein eines Unternehmers. Dieser muss – genauso wie Sie – das unternehmerische System sowie das Geschäftsmodell rund um das Produkt aufbauen, verfeinern und funktionsfähig machen. Das erfordert spezielle Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten und die geeigneten Mitarbeiter sind extrem dünn gesät. Darüber hinaus sitzen diese Spitzenkräfte heute nicht rum, drehen Däumchen und warten auf genau so eine Herausforderung. Wegen all dieser Gründe ist ein reiner Produktverkauf alles andere als ideal und bevorzugt für den idealen Käufer – einen großen Konzern. Ein Unternehmensverkauf ist deutlich attraktiver für einen großen Konzern!
Erweiterung des Käuferkreises
Ein weiteres Problem stellt die starke Beschränkung des Käuferkreises bei einem reinen Produktverkauf dar. Neben den großen, gewerblichen Käufern gibt es noch Privatpersonen und Finanzinvestoren. Die beiden letzteren Käufergruppen sprechen Sie bei einem ausschließlichen Produktverkauf allerdings gar nicht an, da diese weder über das notwendige Personal noch das Know-how verfügen und auch das Risiko eines eigenen Aufbaus dieser unternehmerischen Strukturen scheuen würden.
Die zusätzlichen Kosten neben dem Kaufpreis, die Unsicherheit und die notwendige Aufbauzeit machen einen Produktkauf unattraktiv. Nach unserer Erfahrung entscheidet die Verhandlungssituation und das Aufbauen von mehreren konkreten Verkaufsoptionen (Kaufinteressenten) im Rahmen eines Unternehmensverkaufs mehr über die Höhe des Kaufpreises als reines Produktpotential oder irgendwelche Patente. Deshalb sollte sich jeder Käufer sehr gut überlegen, ob er von Beginn an seine Verkaufsoptionen so stark einschränken möchte. Darüber hinaus werden bei Unternehmensverkäufen bis 5 Mio. Euro deutlich mehr Transaktionen von diesen beiden Käufergruppen als von gewerblichen Käufern durchgeführt. Der ausschließliche Fokus auf einen Produktverkauf würde somit die wichtigsten und interessierten Käufergruppen im Bereich KMU ausschließen – das kann eigentlich nur zum Scheitern verurteilt sein und geht immer zu Lasten des Kaufpreises.
Know-how Verlust beim reinen Produktverkauf
Inhaber unterschätzen häufig die bereits geleistete Arbeit und das aufgebaute Know-how bei den unterschiedlichen Fronten wie zum Beispiel im Vertrieb, im Marketing, in der Produktion, der Logistik, der Produktentwicklung. Natürlich laufen bei kleineren Unternehmen mit weniger als 15 Mitarbeitern alle Fäden beim Inhaber zusammen. Dennoch haben Ihre Mitarbeiter unfassbar viel Know-how, Vorgehensweisen und Erfahrungen in ihrem jeweiligen Gebiet aufgebaut. Der Zugriff auf dieses Know-how stellt eine reibungsfreie und erfolgreiche Übergabe und Integration in Aussicht. Für viele Käufer ist das der wichtigste Grund, da Sie eben nicht über die gleichen unternehmerischen Fähigkeiten wie der aktuelle Inhaber verfügen. Allerdings trauen sich viele Käufer die reine Geschäftsführung oder eben das Übernehmen eines Fachgebietes, wie zum Beispiel dem Vertrieb, noch eher zu. Diese Logik ist nachvollziehbar und nur menschlich – es ist offensichtlich einfacher, eine Person als ein ganzes Team zu ersetzen. Auch wenn diese Käuferannahme nicht immer bei kleinen und inhabergeführten Unternehmen voll zutrifft, sollten Sie sich dieses Wissen im Rahmen eines Unternehmensverkaufs zunutze machen!
Weitere Gründe, welche gegen einen Produktverkauf sprechen
- Auch wenn Sie nur wenige Mitarbeiter beschäftigen, verbleiben dennoch alle Beschäftigten bei Ihnen, wenn Sie nur Ihre Produkte verkaufen. Somit müssen Sie die Kündigungs- und Abfindungskosten dafür tragen. Auch müssen Sie die weiteren Abwicklungs- und Liquidierungskosten selbst tragen.
- Ein reiner Produktverkauf könnte steuerliche Nachteile für Sie mit sich bringen, wenn der Verkauf nicht als Unternehmensverkauf von der Finanzbehörde klassifiziert wird. Somit muss der Käufer die Mehrwertsteuer entrichten und ihnen gehen ggfs. steuerliche Privilegien für einen Unternehmensverkauf verloren.
- Rein psychologisch hört sich ein Unternehmensverkauf nach mehr an als ein reiner Produktverkauf. Diese subjektive Käuferwahrnehmung gilt es zu bedienen, indem der gesamte Verkaufsprozess breiter und auf einen wirklichen Unternehmensverkauf angelegt wird. Hier können dann zahlreiche weitere materielle und immaterielle Vermögenswerte wie zum Beispiel das Mitarbeiter Know-how, die Mitarbeiter Arbeitskraft, Prozesse, IT Infrastruktur, Softwarelizenzen, der Mietvertrag oder Standort, Anlagevermögen, Warenlager etc. für einen höheren Kaufpreis als Argumente angeführt werden.
- Ein Produktkauf hört sich nach viel Arbeit an, ein Unternehmensverkauf hört sich nach einer selbstständigen und funktionsfähigen Organisation an. Niemand möchte Arbeit kaufen. Im Gegenteil, der Käufer möchte das Übernahmerisiko minimieren und mit wenig Arbeit viel Geld verdienen. Somit bedient die unterschiedliche Bezeichnung und Vermarktungsrichtung die Käuferabsichten und regt die Fantasie des Käufers an.
Fazit: Produktverkauf oder Unternehmensverkauf?
Ein reiner Produktverkauf führt selten zum Erfolg! Sie können Ihr Produkt gerne in den Fokus des Verkaufsprozesses stellen. Dennoch sollten Sie die anderen – wenn auch immateriellen Vermögenswerte – in den Verkauf mit einbringen. Es zahlt sich immer aus. Wenn der Käufer am Ende nur das Produkt erwerben möchte, dann können Sie immer noch darauf eingehen!