Working Capital Anpassung in Unternehmenskaufverträgen

Nettoumlaufvermögen

Viele Unternehmenskaufverträge enthalten eine Kaufpreisanpassung auf Basis des Working Capitals per Vollzugstag. Für viele Inhaber von mittelständischen Unternehmen ist der Begriff Working Capital aber alles andere als geläufig und definitionsgemäß sofort verständlich.  Dies liegt vor allem daran, dass der Begriff und die Anwendung eher bei größeren Unternehmenstransaktionen und im allgemeinem aus dem Corporate Finance Umfeld stammt. Dieser Fachbeitrag zielt darauf ab, den Begriff klar und nachvollziehbar zu erklären, die Aussagekraft der Kennzahl sowie die Handhabung in Unternehmenskaufverträgen zur Kaufpreisanpassung herauszuarbeiten.

 

Definition Working Capital:

Der Name stammt aus dem Englischen und heißt so viel wie Arbeitskapital. Wobei diese rein sprachliche Übersetzung etwas missverständlich und irreführend ist, denn bei der Ermittlung des Working Capitals werden nur die aktiven und passiven Bilanzpositionen des Umlaufvermögens berücksichtigt, welche im Umsatzprozess gebunden sind. Die liquiden Mittel (Geld in Transit, Kasse, Bankkonten etc.) werden außen vor gelassen, da diese eben frei verfügbar und nicht gebunden sind. Für die Standberechnung sind die folgenden Bilanzpositionen die Grundlage:

 Aktiva Passiva
+Vorräte (Rohstoffe und Hilfsmittel)Kundenanzahlungen
+Angefangene Arbeiten (unfertige und fertige Erzeugnisse)Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung
+Forderungen aus Lieferung und Leistung

 

Es sollte angemerkt werden, dass die genaue Definition von den Vertragsparteien frei verhandelbar ist. So ist für Dienstleistungsunternehmen die Position Vorräte unerheblich und wird häufig weggelassen. Bei anderen Geschäftsmodellen gibt es keine Kundenanzahlen und hier wird diese Position häufig außen vorgelassen.

 

Ein Beispiel für die Working Capital Berechnung:

 AktivaWert per 31.12.2016 PassivaWert per 31.12.2016
+Vorräte (Rohstoffe und Hilfsmittel)200.000 €Kundenanzahlungen600.000 €
+Angefangene Arbeiten (unfertige und fertige Erzeugnisse)500.000 €Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung250.000 €
+Forderungen aus Lieferung und Leistung350.000 €
Summe Aktiva1.050.000 € Summe Passiva850.000 €
Working Capital per 31.12.2016 beträgt somit 200.000 €

 

In dem obigen Beispiel wäre somit das Netto Working Capital 200.000 Euro. Was besagt diese Zahl nun? Die Zahl gibt an, dass noch 200.000 Euro operatives Kapital im Umsatz Prozess gebunden ist und arbeitet.

 

Die Brücke zum Unternehmensverkauf

Beim Unternehmensverkauf bieten Unternehmenskäufer häufig einen Bruttokaufpreis (Entity Value) an. Dieser wird häufig dann gemäß einer Anpassungsformel, welche häufig um Schulden und Cash frei (Net and debt free) definiert ist und somit ergibt sich der Nettokaufpreis (Equity Value).

Nettokaufpreis = Bruttokaufpreis minus langfristige Schulden plus liquide Mittel

Auch diese Formel stammt aus dem Corporate Finance, denn hier werden Unternehmenskaufpreise häufig auf Basis einer Discounted-Cash-Flow Berechnung ermittelt. Bei dieser Bewertungsvariante erhöhen die liquiden Mittel (Cash) den Wert und alle langfristigen Verbindlichkeiten (Rückstellungen, Steuerverbindlichkeiten, Fremdverbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten, etc.) müssen abgezogen werden, da diese mit den liquiden Mitteln in der Zukunft bezahlt werden müssen.

Die Working Capital Anpassung soll im Großen und Ganzen verhindern, dass Inhaber vor dem Verkauf noch schnell die vorhandenen Vermögenswerte des Umlaufvermögens liquidiert. Die zwei häufigsten Möglichkeiten sind:

  • Abverkauf des Warenlagers
  • Rabatte auf Forderungen aus LuL, damit diese schneller bezahlt werden

In diesen Fällen würde nämlich die Position liquide Mittel (Cash) hochgehen und somit auch der Nettokaufpreis. Allerdings würde dem Unternehmen notwendiges operatives Working Capital entzogen, welches vom Käufer allerdings benötigt wird. Nehmen wir zum Beispiel eine Handelsfirma. Wenn diese keine Waren vorrätig hat, dann können auch keine Lieferungen geleistet werden und keine Umsätze erzielt werden. Eine Produktionsfirma kann ohne Vorräte kann auch keine Produkte herstellen und verkaufen. Dementsprechend bedient sich der Käufer dem Instrument einer Working Capital Referenzgröße als weitere Kaufpreisanpassung.

Hierzu wird sich der Käufer im Rahmen der Betriebsprüfung über einen langen Zeitraum (häufig 24 oder 36 Monate) einen Überblick über die Höhe und die Durchschnittswerte des Netto-Working-Capitals machen. Für die Ermittlung der historischen Working Capital Höhen werden die monatlichen Summen- und Saldenlisten (SuSa) benötigt. Anschließend wird häufig ein bestimmter Referenzwert oder eine definierte Bandbreite vereinbart.

Betrachten wir das nachfolgende Beispiel. In diesem Fall hat der Käufer verlangt, dass das durchschnittliche Working Capital der letzten drei Jahre als Grundlage für die Kaufpreisanpassung verwendet wird.

 

201320142015Durchschnitts-werte
Relevante Aktiva Umlaufvermögen  
Rohstoffe, Hilfsstoffe und Betriebsstoffe200.000 €300.000 €250.000 €250.000 €
Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen600.000 €700.000 €500.000 €600.000 €
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen350.000 €300.000 €500.000 €383.333 €
Aktiva Umlaufvermögen1.150.000 €1.300.000 €1.250.000 €1.233.333 €
Relevante Passiva Umlaufvermögen   
Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen500.000 €600.000 €700.000 €600.000 €
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen350.000 €450.000 €250.000 €350.000 €
Passiva Umlaufvermögen850.000 €1.050.000 €950.000 €950.000 €
Netto Working Capital 300.000 €250.000 €300.000 €283.333 €

 

In der Tabelle oben wurde nun der Durchschnittswert für die letzten 36 Monate mit 283.333 Euro berechnet. Auf dieser Basis wird der Käufer davon ausgehen, dass die Firma rund 300.000 Euro operatives Working Capital benötigt um das aktuelle Geschäftsvolumen fortzuführen. Deshalb wird der Käufer darauf drängen, dass eine Kaufpreisanpassung vorgenommen wird, sollte das Netto Working Capital unterhalb dieser Größe liegen. Im Gegenzug wird der Kaufpreis auch ansteigen, wenn das Netto Working Capital per Kaufvertragsvollzug höher liegt.

Diese Regelung hat für beide Seiten Vorteile:

  • Der Verkäufer hat keinen Anreiz, Werte des Umlaufvermögens zu liquidieren um die Liquiden Mittel zu erhöhen. Denn wenn er in den letzten Monaten Aufträge beginnt oder sogar noch abrechnen kann, dann sind diese Positionen durch das Netto-Working Capital mit im Kaufpreis durch die Anpassung berücksichtigt.
  • Darüber hinaus kann der Verkäufer weiter Waren oder Vorräte einkaufen, ohne dass dies einen negativen Einfluss auf die Liquidität hat, da diese Zugänge im Umlaufvermögen über die Anpassungsformel berücksichtigt sind.
  • Der Käufer hat die Sicherheit, dass der Verkäufer gemäß der Vergangenheit ausreichend Netto Working Capital in der Firma belässt oder bei Unterschreitung eben auch sein Kaufpreis reduziert wird.

 

Referenzwert oder Bandbreite für das Working Capital?

Da es sich bei der historischen Betrachtung immer nur um Durchschnittswerte handelt, vereinbaren die Parteien häufig eine Bandbreite, in welcher sich das Netto Working Capital bewegen darf ohne einen Kaufpreiseinfluss zu entfalten. So könnten die Parteien in dem obigen Beispiel vereinbaren, dass der Kaufpreis nur bei untypischer Entwicklung also höher als 303.333 Euro oder niedriger als 263.333 Euro eins zu eins über den Kaufpreis angepasst wird. Das Toleranzband wäre in diese Fall 20.000 Euro.

Letztendlich kann man nicht sagen, ob ein Referenzwert oder eine Bandbreite für den Verkäufer besser ist. Hierfür muss der Verkäufer seinen Auftragsbestand oder seine Vertriebspipeline selber einschätzen, wie sich das Geschäft am Tag des Vertragsvollzugs entwickeln wird. Sollte der Ausblick eher positiv sein, dann ist ein fester Referenzwert meistens besser als eine Bandbreite. Bei einem eher unsicheren Ausblick wäre eine Bandbreite wohl die sichere Variante.

Fazit: Working Capital in Unternehmenskaufverträgen

In diesem Fachbeitrag haben wir die Kenngröße Working Capital definiert und die Aussagekraft der Kennzahl erklärt. Letztendlich ist das Netto Working Capital eine wichtige Kenngröße über die gebundene positive oder negative Höhe von operativem Arbeitskapital. Dementsprechend stellt das Netto Working Capital auch ein Liquiditätspolster oder eben auch eine Unterdeckung dar. Um für alle Parteien einen Interessensausgleich zu etablieren, vereinbaren die Parteien im Kaufvertrag eine Kaufpreisanpassung, wenn das Netto Working Capital per Vollzug höher oder niedriger als ein Referenzwert ist. Somit erhält der Verkäufer keinen Anreiz, Umlaufvermögen noch schnell vor dem Vollzug zu liquidieren, da eben auch die Bilanzpositionen des Umlaufvermögens einen Einfluss auf die letztendliche Höhe des Kaufpreises haben. Der Käufer erhält im Gegenzug eine höhere Planungssicherheit und hat die Gewissheit, dass das historisch benötige Netto Working Capital auch im Kaufpreis Berücksichtigung findet.