Mehr als bloße Anhängsel: Anlagen zum Unternehmenskaufvertrag

Das Herzstück jedes Unternehmensverkaufs, der Unternehmenskaufvertrag, beinhaltet häufig zahlreichen Anlagen. Auf den ersten Blick erscheinen sie eher untergeordnet, während ihre Erstellung teilweise sehr aufwendig ist. Deshalb fragen uns viele Inhaber, ob denn wirklich alle diese Anlagen bereitgestellt werden müssen. Die Antwort ist einfach: ja! Denn die Anlagen dienen mehreren wichtigen Zwecken: Sie dokumentieren nicht nur den Inhalt von Verträgen und Vereinbarungen, sondern auch Zustände und Sachverhalte von Ereignissen. Zum einen tragen sie zu einem klaren und vollständigen Unternehmenskaufvertrag bei, indem sie Details der Einigung näher bestimmen. Zum anderen sind die Anlagen für jeden Verkäufer ein hervorragendes Instrument, um seine Offenlegungspflicht zu erfüllen, alle notwendigen Details zu dokumentieren und auf diese Weise auch einer möglichen Haftung vorzubeugen.

 

Offenlegung dient Käufer wie Verkäufer

Beim Unternehmensverkauf gibt es eine massive Informationsasymmetrie zwischen Verkäufer und Käufer. Deshalb schützt der Gesetzgeber den Käufer und fordert vom Verkäufer eine wahrheitsgetreue und angemessene Offenlegung. Meist präzisiert der Käufer diese Offenlegungspflicht im Kaufvertrag noch. Dafür wählt er eine Formulierung, der zufolge alle Informationen des Verkäufers vollständig, richtig und nicht irreführend sein müssen.

Der Verkäufer möchte seine Offenlegungspflichten (auch „disclosure issues“) erfüllen und diese Erfüllung durch Dokumentation nachweisen. Denn in der Regel wird er die Forderung des Käufers nach einer umfassenden und korrekten Offenlegung akzeptieren, allerdings im Gegenzug seinerseits auf einer Haftungsfreistellung bestehen, wenn die Umstände und Tatsachen dem Käufer durch die Offenlegung bekannt sind. Der Käufer kann sich dann nicht mehr auf fehlende Kenntnis der Sachverhalte berufen; nimmt er die offengelegten Sachverhalte nicht ausreichend zur Kenntnis, wird dies „fahrlässige Unkenntnis“ genannt. Somit verwandelt sich die Pflicht zur Offenlegung durch die Anlagen zum Kaufvertrag in ein Instrument für die Haftungsfreistellung des Verkäufers.

Jenseits der gesetzlichen und individuell vertraglich vereinbarten Offenlegungspflichten des Verkäufers möchte der Käufer den Kaufgegenstand (Unternehmen) vor einem Erwerb auf Herz und Nieren prüfen. Deshalb verbindet die Betriebsprüfung (häufig als „Due Diligence“ bezeichnet) die Dokumentation der Offenlegung durch den Verkäufer meist mit der Prüfung des Kaufgegenstands durch den Käufer. Im Rahmen der Betriebsprüfung werden dem Käufer oft in einem Datenraum Unterlagen, Dokumente und Antworten auf seine Fragen bereitgestellt. Die Ergebnisse der Betriebsprüfung bilden dann die Basis für den Inhalt und die Gestaltung des finalen Kaufvertrags mit allen Verkäufergarantien.

Auch wenn ein schneller, klarer Überblick über die wichtigsten Anlagen sinnvoll ist: Die digitalen Medien machen es heute durchaus möglich, die vollständige Betriebsprüfung zu dokumentieren, ohne den Kaufvertrag zu sprengen: z. B., indem eine DVD mit dem gesamten Datenmaterial zur Kaufvertrag-Anlage erklärt wird. Doch der Käufer möchte, dass die wesentlichen Kriterien für seine Kaufentscheidung direkt im Kaufvertrag aufgeführt werden. Denn so können im Fall einer zukünftigen rechtlichen Auseinandersetzung auch Dritte (Gerichte, Notare, Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzbehörde etc.) schnell und klar den genauen und vollständigen Sachverhalt der Vereinbarung nachvollziehen und die rechtliche Situation beurteilen.

Die Anlagen zum Kaufvertrag erfüllen also mehrere wichtige Ziele, die wir nachfolgend zusammenfassen:

VerkäuferKäufer
Dokumentation der OffenlegungDokumentation der Entscheidungsbasis
Erfüllung der gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Offenlegungspflichtengenaue Spezifikation des Kaufgegenstands

 

Freistellung von Haftungsansprüchen durch Offenlegungklare Garantien und rechtliche Sicherheit über den Zustand des Kaufgegenstands
klare rechtliche Beurteilung der Situation durch unbeteiligte Dritte

 

Typische Anlagen zum Kaufvertrag

Anzahl und Definition der Anlagen sind stark von der individuellen Transaktion und ihrer rechtlichen Struktur abhängig.

  • Bei einer Einzelrechtsnachfolge (auch als „Asset Deal“ bezeichnet) müssen alle zu verkaufenden und zu übertragenden Vermögensgegenstände und Rechtsverhältnisse klar und eindeutig definiert werden. Dementsprechend ist die Anzahl der Anlagen bei dieser Vertragsform deutlich höher.
  • Beim Verkauf einer GmbH (auch „Share Deal“ oder „Gesamtrechtsnachfolge“ genannt) gehen alle Rechte und Pflichten automatisch mit den Geschäftsanteilen auf den Käufer über. Der zu übertragende Vermögensgegenstand sind die Geschäftsanteile, seine Definition ist also einfach. Allerdings birgt die automatische Übernahme aller Rechte und Pflichten bei einem Share Deal andere Risiken. Deshalb möchte der Käufer sich schützen und wird vom Verkäufer – in Form der Anlagen – klar definierte Garantien über den Kaufgegenstand verlangen. Die Themen, um die es dabei in der Regel geht, lassen sich in vier Kategorien einteilen: Anzahl und Inhalt von bestehenden Verträgen, Zustimmungen von Drittparteien, bestimmte aktuelle und historische Zustände sowie der genaue Hergang von bestimmten Ereignissen.

Wir haben nachfolgend einige Beispiele für solche Anlagen aufgeführt – sowohl für diese vier Kategorien also auch für Vereinbarungen zwischen den Parteien.

AnlageBeispiele
Bestehende VerträgeGesellschafterverträge

Mietverträge

Kundenverträge

Geschäftsführerverträge

Rahmenvereinbarungen mit bestehenden Kunden

IP-Rechte, Domains, Marken und Patente

ZustimmungenGesellschafterbeschlüsse

Zustimmung der Ehefrau

Zustimmung anderer Gesellschafter

Zustimmung von Vermietern

Zustimmung von Mitarbeitern (bei einem Asset Deal)

Zustimmung von Kunden oder Lieferanten

ZuständeHandelsregisterauszüge

Jahresabschlüsse

Betriebsvereinbarungen

Kontostände per Unterschrift

Verbindlichkeiten per Unterschrift

Umsatzaufteilung auf verschiedene Kunden

GeschehnisseBeschreibung von rechtlichen Auseinandersetzungen

Erklärungen von Vorgängen

Vereinbarungen zwischen den Parteienfinale Kaufpreisberechnung

Berechnung Nettoumlaufvermögen

Abgrenzungsberechnung (Cash-und-Debt-Free-Anpassung)

Definition von Kenngrößen (Cash, Debt, EBIT etc.)

erlaubte Vermögensabflüsse

abzuschließende Verträge, wie u. a.

·         Mietverträge

·         Beratervertrag

·         Aufhebungsvertrag Geschäftsführung

·         Darlehensverträge

·         Immobilienkaufvertrag

 

Digitalisierung macht’s möglich: umfassende digitale Anlagen zum Kaufvertrag

Früher wurde die Due Diligence häufig noch mit der Bereitstellung und Prüfung von physischen Ordnern in einem physischen Datenraum vor Ort durchgeführt. Heute wird bei fast allen Transaktionen ein virtueller Raum zur Verfügung gestellt, ein digitaler Datenraum, in den alle Informationen hochgeladen werden. Die Bandbreite dieser digitalen Datenräume reicht von einfachen Servern über Cloud-Speicher bis hin zu den Angeboten professioneller Datenraumanbieter. Diese speichern nicht nur die offengelegten Informationen, sondern führen auch ein zeitliches Logbuch (digitaler Fingerabdruck) über die Datenraum-Benutzer und -Zugriffe. Häufig vereinbaren die Parteien, dass neben den unmittelbar angehängten Anlagen zum Kaufvertrag auch der gesamte Datenraum in Form einer CD oder DVD als Anlage zum Kaufvertrag gilt. Auf diese Weise wird die gesamte Offenlegung für beide Seiten vollständig und unmissverständlich dokumentiert.

 

Fazit: Anlagen zum Kaufvertrag

Die Anlagen zum Kaufvertrag sind ein wichtiger Bestandteil der getroffenen rechtlichen Vereinbarungen und Regelungen zwischen den beiden Parteien. Der Verkäufer erfüllt und dokumentiert durch die Anlagen seine Offenlegungspflicht. Dies dient zugleich seiner Entlastung in Form einer Haftungsfreistellung. Im Gegenzug dokumentiert der Käufer, auf welcher Informationsbasis er den Kaufvertrag eingegangen ist und in welchem garantierten Zustand er das Unternehmen übernimmt. Dementsprechend fungieren die Anlagen häufig als eine genaue Definition des Unternehmens für den Käufer. Zwar ist die Erstellung und Aufbereitung aller Anlagen sehr zeitaufwendig, doch dafür gibt sie beiden Vertragsparteien die Sicherheit eines klaren und vollständigen Kaufvertrags. Dieser bietet im Notfall auch noch in ferner Zukunft die Möglichkeit, dass eine Drittpartei sich schnell und einfach über sämtliche Vereinbarungen informieren und diese rechtlich beurteilen kann. Somit sorgen die Anlagen für klare Definitionen und versprechen rechtliche Klarheit für alle Beteiligten.