Unternehmenswertrechner – Hilfreich oder irreführend?

Firmenwertrechner

Über kurz oder lang fragt sich jeder Inhaber: Was ist meine Firma eigentlich wert? Das Internet fördert hierzu natürlich sofort einige kostenfreie Online-Unternehmenswertrechner zu Tage. Schnell sind ein paar Werte eingegeben und am Ende steht häufig eine Zahl oder Unternehmenswertbrandbreite. Doch wie aussagekräftig ist diese Zahl? Auf den ersten Blick scheint die Suche nach der gewünschten Zahl (dem Unternehmenswert) vorbei. Doch Vorsicht: Inhaber sollten diese scheinbar schnelle, erfolgreiche und meist sogar kostenlose Berechnung kritisch hinterfragen. Damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, wie mit solchen Zahlen umzugehen ist, widmet sich dieser Artikel den grundsätzlichen Problemen und Fallstricken von Unternehmenswertrechnern. Darüber hinaus geben wir einige Ratschläge an interessierte Unternehmer, wie Sie Ihre Informationsbedürfnisse möglicherweise besser befriedigen können.

 

Online-Unternehmenswertrechner: Oftmals zu komplex für Ungeschulte

Im Internet gibt es etliche Firmenwertrechner. Bei einigen Unternehmenswertrechnern müssen zahlreiche Angaben gemacht werden: EBIT, Cash-Flow, Netto-Verbindlichkeiten etc. Dabei werden Unerfahrene teils völlig überfordert und möglicherweise sogar in die Irre geführt. Die Erfahrung zeigt:

„Wenn der Unternehmenswertrechner mehr als 10 Eingaben erfordert, dann schalten die meisten Besucher aufgrund der Komplexität ab“.

Firmenwertrechner

Diese Rechner überfordern Interessenten häufig mit einer Vielzahl von Fachbegriffen und erforderlichen Informationen. Somit führen diese Unternehmenswertrechner oftmals eher zur Verzweiflung als zu einem schnellen und belastbaren Ergebnis. Deshalb raten wir Unerfahrenen davon eher ab, da die Fehlerquote in den meisten Fällen viel zu hoch ist – mit entsprechenden Folgefehlern was einen etwaigen Verkauf eines Unternehmens anbelangt. Dazu ein Vergleich: Sie würden auch nicht anfangen Ihre eigenen Röntgenaufnahmen selber durchzuführen und diese anschließend eigenständig zu bewerten, nur weil es ein Onlineröntgen-Geräte gibt! Zwar geht es beim Unternehmensverkauf nicht um Leben und Tod – aber immerhin um Ihr Lebenswerk.

Online-Unternehmenswertrechner auf Basis eines EBIT-Multiplikators: Stolperfalle Trivialisierung!

Häufig finden Sie im Internet einen EBIT-Faktor-Multiplikator. Hier müssen Sie nur das EBIT eingeben und anschließend die entsprechende Branche auswählen. Anschließend wird Ihnen ein Unternehmenswert oder eine Bandbreite für diesen berechnet.

„An sich besticht die Einfachheit des Ansatzes, allerdings führt auch diese Methode in den seltensten Fällen zu einem belastbaren Ergebnis!“

Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen, nachfolgend sollen die wichtigsten sechs angeführt werden:

1. EBIT ist nicht EBIT!

Bei kleinen und mittleren Unternehmen muss das EBIT oft bereinigt werden, denn:

  • Bei mittelständischen Unternehmen ist der Übergang zwischen Privaten und Geschäftlichen oft fließend.
  • Es muss beispielsweise ein adäquater und marktgerechter Arbeitslohn für den Geschäftsführenden-Inhaber ausgewählt werden. Hier sollte nicht eine Vergleichstabelle herangezogen werden, sondern die wirkliche Arbeitsleistung (ob 8 oder 15 Stunden pro Tag, inkl. Urlaub und Wochenendarbeit) berücksichtigt werden.
  • Private und geschäftliche Aufwendungen müssen sauber getrennt und ordnungsgemäß verbucht werden – das ist bei KMUs nicht immer der Fall.
  • Einmalige Aufwendungen und außerordentliche Erträge müssen hinzuaddiert bzw. abgezogen werden.
  • Umsätze und Aufwendungen müssen periodengerecht verbucht werden.

 

2. Die definierten Branchen sind häufig inhomogen und unvergleichbar!

  • Bei Online-Firmenwertrechnern gehören oftmals sowohl ein Werkzeugbauer als auch eine Schreinerei in die Handwerksbranche. Allerdings sind Werkzeugbauer häufig sehr rentabel und heiß begehrt. Kleinere Schreinereien hingegen lassen sich erfahrungsgemäß kaum verkaufen.
  • Das Beispiel der Unvergleichbarkeit zieht sich durch alle Branchen: Eine Softwarefirma, die nur Auftragsprogrammierungen macht ist deutlich weniger wert als eine Softwarefirma mit fertigentwickelten und etablierten Softwareprodukten.
  • Die Gleichmacherei in zusammengefassten Branchen wird der individuellen Ausgangssituation und dem jeweiligen Geschäftsmodell nicht gerecht und somit stimmen die ermittelten Unternehmenswerte häufig vorne und hinten nicht.

Firmenwertrechner

3. Historisch zugängliche EBIT-Multiplikatoren für KMU’s? Fehlanzeige!

  • Die verwendeten EBIT Faktoren sind mit größter Vorsicht zu genießen, da es in Deutschland keine Institution oder Firma gibt, die eine ausreichende Basis für eine statistisch repräsentative Erhebung verfügbar hat. In Deutschland müssen Unternehmenskaufpreise nicht offengelegt werden und sind somit nicht zugänglich.
  • Wir sprechen hier aus eigener Erfahrung: Wir haben selbst einmal eine Auswertung von über 100 Unternehmen durchgeführt. Eine Zahl, die sich durchaus sehen lassen könnte. Wenn Sie diese dann allerdings in 15 Branchen unterteilen, haben Sie gerade einmal sechs Unternehmen in der jeweiligen Kategorie verkauft. Die Ergebnisse waren also alles andere als repräsentativ.

 

4. Falsche Formel für EBIT-Berechnung

  • Das EBIT berücksichtigt leider nicht die tatsächlich Vermögenssituation. Deshalb werden hier häufig Äpfel mit Birnen verglichen. Die eine Firma kann eine Millionen Eure an Schulden haben, eine andere kann einen Vermögenswert in gleicher Höhe verzeichnen – beispielsweise eine Immobilie, einen Maschinenpark oder ein Warenlager – und Schuldenfrei sein. Beides findet keinerlei Berücksichtigung in vielen Unternehmenswertrechnern auf Basis des EBIT-Verfahrens. Eine fatale Zahlenlücke!
  • Eine korrekte EBIT-Multiplikatoren-Berechnung erfordert den Abzug der Nettoverbindlichkeiten vom Brutto-Unternehmenswertrechner. Die meisten Unternehmenswertrechner ignorieren diesen – eventuellen massiven Unterschied – zwischen Brutto- und Netto-Unternehmenswert vollständig. Das liegt daran, dass die Ermittlung und Definition der Nettoverbindlichkeiten die Komplexität steigern und viele unerfahrene Online-Besucher mit diesem schweren, aber richtigen Ansatz scheitern würden!

 

5. Ist die Vergangenheit repräsentativ für die zukünftige Entwicklung?

  • Käufer sagt „nein“ aber Verkäufer sagt „ja“! Wir sagen, wir wissen es nicht!
  • Das EBIT Verfahren berücksichtigt in den meisten Fällen nur historische Werte, die jedoch eigentlich unerheblich sind, da der Käufer den Kaufpreis über die zukünftigen Überschüsse amortisieren muss. Somit wird die Bewertung nicht auf Basis der erwarteten Zukunft, sondern häufig wenig sinnvoll auf Basis der Vergangenheit durchgeführt.

 

6. Missverständnis Firmenwert und Unternehmenspreis

  • Die Begriffe Unternehmenswert und Unternehmenspreis sind nicht getrennt, sondern als Synonym zu betrachten. Somit ist Ihre Firma genau dass Wert, was Ihnen ein Unternehmenskäufer als Kaufpreis bezahlt. Punkt.
  • Diese Marktkomponente wird bei rein quantitativen Bewertungsmethoden wie z.B. Online-Unternehmenswertrechnern, vollkommen außer Acht gelassen. Dabei haben die Nachfragesituation und der Nachfragewettbewerb einen erheblichen Einfluss auf den letztendlichen erzielbaren Unternehmenspreis.
  • Die tatsächliche Nachfrage nach den jeweiligen Unternehmen kann leider nicht formeltechnisch abgeleitet werden, sondern ist nur mit entsprechender Erfahrung abschätzbar. Während wir für einen sehr groben Ersteindruck durchaus den ein oder anderen Unternehmenswertrechner empfehlen könnten, bleibt uns an dieser Stelle nichts anderes als auf unsere eigene Branche zu verweisen. Denn wer verfügt nun über die erforderliche Erfahrung? Letztendlich sind das nur Personen, die täglich den Verkauf von Unternehmen begleiten und somit aufgrund von zahlreichen ähnlichen Verkäufen eine Analogie und Ableitung für einen erzielbaren Preis der zum Verkauf stehenden Firma herleiten können.

 

Die Suche nach der „Ominösen Zahl“: Hier prallt Emotion auf Machbarkeit

Der Unternehmenswert spiegelt für viele Inhaber eine Art Leistungsbemessung Ihrer unternehmerischen Aufbautätigkeit. Somit schwingen bei vielen Inhabern von Beginn an – verständlicherweise – viele Emotionen mit und neutrale Einschätzungen werden von den vielen investierten Jahren und Stunden an Arbeit überlagert!

Im Gegensatz gehen viele Unternehmenskäufer eher nüchtern an die Sache ran und bewerten Unternehmen nach dem Prinzip, welchen Unternehmenskaufpreis kann ich Finanzierungstechnisch überhaupt darstellen und bietet mir ein attraktives Investment, abzüglich meiner Arbeitsleistung (also einem marktgerechten Unternehmerlohn) und im Vergleich zu meiner heutigen Lebenssituation.

„Hier kollidieren emotionale Identifikation mit dem Unternehmen mit rationaler Plausibilität und verkaufsorientierter Machbarkeit.“

Online Firmenwertrechner

Der Weg zu Neutralität führt nicht über reine Mathematik!

Für Unternehmensbewertungen gibt es eine Vielzahl von verschiedenen quantitativen Bewertungsmethoden. Den größten Bekanntheits- und Verbreitungsgrad hat das EBIT-Multiplikations-, das Ertragswert- und das Discounted-Cash-Flow-Verfahren. Alle drei Verfahren haben Ihre Stärken und Schwächen und können hier nicht im Detail betrachtet werden.

„Viel wichtiger zu verstehen ist, dass der Wunsch nach einer universellen und richtigen Bewertungsformel verständlich, aber nicht zu erfüllen ist.“

Es gibt keine „richtige“ Bewertungsformel oder Bewertungsverfahren. Jede Methode wird ein anderes Ergebnis ermitteln. Aber welches ist nun maßgeblich? Welche Formel muss man wann verwenden? Auch auf diese Fragen gibt es nur allgemeine Antworten. In der Praxis bedient man sich häufig eines simplen aber zielführenden Tricks: Man bewertet die Firma eben nach verschiedenen Methoden und plausibilisiert anschließend den letztendlichen Wert mit den unterschiedlichen Ergebnissen.

Auch wenn es unbefriedigend erscheint, gilt es Folgendes bzgl. Unternehmensbewertungen festzuhalten:

  • Die beteiligten Parteien haben subjektive Perspektiven.
  • Jede Bewertungsmethode liefert ein anderes Ergebnis.
  • Es besteht Methodenfreiheit, d.h. eine Methodenwahl muss getroffen werden.
  • Sinnvollerweise werden verschiedene Methoden verwendet und anschließend eine Bandbreite ermittelt.

 

Unternehmenswertrechner: Große und kleine Unternehmen sind gleich! Oder doch nicht?

Schätzungsweise finden 95% aller Unternehmenstranskationen in einem Preissegment kleiner als fünf Millionen Euro statt und wiederum 80% davon werden für unter zwei Millionen Euro verkauft. Nun ist die Bewertungspraxis aber sehr stark von den Methoden und Ansätzen der „großen“ Unternehmenstransaktionen geprägt.

Oft sind hierfür sogar die Kaufpreise und somit die Multiplikatoren (wie z.B. die EBIT Faktoren für die jeweilige Branche) sowie Bewertungsannahmen für spezifische Transaktionen (beispielsweise  Diskontierungssätze) öffentlich zugängig. Das Finance Magazin veröffentlicht sogar eine ausführliche monatliche Tabelle für EBIT- und Umsatz-Multiplikatoren für zahlreiche Branchen. Leider ist auch hier die kleinste Firmengröße (Small Caps genannt) für Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro zusammengefasst – und entsprechend für deutlich kleine Unternehmen möglicherweise ungeeignet.

Für kleinere Transaktionen besteht hingegen keine Offenlegungspflicht zu den gezahlten Kaufpreisen und somit auch nicht zu den angesetzten Bewertungsfaktoren. Dementsprechend werden die für größere Transaktionen zugänglichen Informationen oftmals einfach kleinere Firmen projiziert. Aber:

„Kann man eine Firma mit 50 Millionen Euro Umsatz mit einer Firma mit zwei Millionen Euro mit dem gleichen Ansatz bewerten? Die Frage kann sehr einfach mit Nein beantwortet werden. “ 

Kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern haben ihre ganz spezifischen Besonderheiten. Nachfolgend folgen einige wichtige Unterschiedsmerkmale, die dies verdeutlichen:

  • Inhaberabhängigkeit
  • Kundenabhängigkeit
  • Lieferantenabhängigkeit
  • Arbeitseinsatz des Inhabers
  • Team/Management und zweite Führungsebene
  • Prozesse, EDV und Qualitätssicherung
  • Controlling und Rechnungswesen
  • Vermischung zwischen privater und geschäftlicher Ebene, vor allem für Aufwendungen etc.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass kleinere Firmen von zahlreichen qualitativen Faktoren abhängig sind, die das ganze zum Verkauf stehende unternehmerische Gebilde massiv beeinflussen. Die Gleichsetzung mit großen Unternehmen führt in den meisten Fällen zu viel zu hohen Bewertungen, da das Abhängigkeitsrisiko und die Übertragungsfähigkeit einfach keine Berücksichtigung finden. Bisher gibt es leider keine Bewertungsmethode, die die zahlreichen qualitativen Faktoren formeltechnisch und universell gültig in die Bewertung zu integrieren vermag.

 

Alternative zu Unternehmenswertrechnern: Was sollten Sie also stattdessen tun?

Als erstes sollte man sich bewusst machen wofür man den Unternehmenswert eigentlich braucht. Meistens dient er als Entscheidungsgrundlage für einen Verkauf. Wenn der Verkauf das Ziel ist, dann sollte Sie kein Geld für ein nebulöses Zwischenziel bezahlen, sondern einen Verkauf initiieren. Letztendlich haben die meisten kein Interesse an einem 50-seitigen Bewertungsbericht mit vielen Graphiken, Tabellen und Formeln, sondern möchten verstehen, wie viel Geld Sie für Ihre Firma erhalten.

„Deshalb bleibt Ihnen eigentlich nur eine Möglichkeit um den Firmenwert zu ermitteln: leiten Sie den Verkauf Ihrer Firma ein.“

Der erzielbare Verkaufspreis bildet sich nämlich letztlich nur am Markt und nicht am Rechner. Wenn Sie also keinen Markt für Ihre Firma schaffen, dann werden Sie immer mit gefährlichen Halbwahrheiten Vorlieb nehmen müssen. Sollten Sie ohne wirkliche Verkaufsabsichten eine Wertbestimmung benötigen, dann nehmen Sie sich einen erfahrenen und etablierten Unternehmensverkäufer und lassen Sie Ihre Firma auf Verkäuflichkeit bewerten. Verstehen Sie uns nicht falsch: Unternehmenswertrechner können richtige Werte ermitteln, allerdings überfordern und leiten Sie die meisten Verwender eher fehl anstatt wirklich gute Orientierung zu geben! Hier stellt sich die Frage, mit wie viel Unsicherheit Sie in Zusammenhang mit der Ermittlung des Firmenwertes leben können.