Qualitative Bewertungsmethoden für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU’s)
Für die Ermittlung von Unternehmenskaufpreisen gibt es zahlreiche quantitative Bewertungsmethoden wie z.B. das Ertragswertverfahren, das Discounted-Cash-Verfahren, das EBIT-Multiplikationsverfahren oder verschiedenste Mischverfahren von Ertrags- und Substanzwert. Alle diese Bewertungsmethoden haben eines gemeinsam: Sie sind normiert und es gibt klare Anwendungsregeln und Berechnungsformeln. Dadurch wird eine universelle Gültigkeit und Richtigkeit der Bewertungsergebnisse suggeriert. Allerdings spielen bei kleinen und mittleren Unternehmen oft qualitative Unternehmensmerkmale eine wert- und preisbildende Rolle, die keinerlei Berücksichtigung in den rein quantitativen Bewertungsmethoden finden. Wir widmen uns in diesem Beitrag entsprechend den Fragen: Was sind qualitative Bewertungsmethoden und welchen Einfluss nehmen Sie auf den letztendlich erzielbaren Kaufpreis bei KMUs?
1) Qualitative Bewertungsmethode: Analyse der Abhängigkeiten
Abhängigkeiten können einen erheblichen Einfluss auf den Unternehmenskaufpreis haben. Wir haben hier die wesentlichen und preisrelevanten Abhängigkeitsebenen definiert und führen einige Beispiele für deren positiven und negativen Einfluss auf den Kaufpreis auf. Auch diese Beispiele sind nicht allgemein gültig und auf jedes Unternehmen eins zu eins anwendbar. Dennoch gilt grundsätzlich: Ein Unternehmen mit geringeren Abhängigkeiten wird in der Regel immer einen besseren Kaufpreis erzielen.
Abhängigkeiten | Positiv | Negativ |
Inhaber |
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Kunden |
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Lieferanten |
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Produkte |
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Branchen |
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Anwendung der Bewertungsmethode:
Unternehmen sollten anhand der genannten Abhängigkeitskriterien bewertet werden. Hierbei sollte der Bewertungsmaßstab die Käuferperspektive sein. Zu diesem Zweck haben wir anhand von vier wesentlichen Punkten definiert, was ein Käufer „idealerweise“ im Rahmen des Unternehmenskaufs sucht:
- Ein Inhaber unabhängiges Unternehmen, das er erfolgreich ohne den scheidenden Inhaber fortführen kann. Kurz gesagt: Ein stabiles, sicheres und profitables System.
- Keine Abhängigkeit von einzelnen Kunden und Lieferanten.
- Fertig entwickelte und eingeführte Produkte oder Dienstleistungen, die noch eine vielversprechende Zukunft vor sich haben.
- Kein Unternehmen in einer aussterbenden, stagnierenden oder schrumpfenden Branche.
2) Qualitative Bewertungsmethode: Analyse der Verkaufsvorbereitung
Jedes Unternehmen ist individuell und die Verkaufsvorbereitung eines Produktionsfirma unterscheidet sich erheblich von den Verkaufsvorbereitungen einer Werbeagentur. Dennoch gibt es einige Kriterien, die in den meisten Fällen den Kaufpreis beeinflussen. Auch hier haben wir positive und negative Randbedingungen gegenübergestellt.
Bereich | Positiv | Negativ |
Team |
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Organisation |
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Prozesse & EDV |
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Unternehmensphase |
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Umsatzmix |
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Dokumentation |
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Auftritt |
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Anwendung der Bewertungsmethode:
Ein Unternehmen sollte anhand der oben genannten Ebenen bewertet sein. Auch hier kann der Bewertungsmaßstab nur die Käuferperspektive sein. Dafür haben wir definiert, was ein Käufer „idealerweise“ im Rahmen des Unternehmenskaufs sucht:
- Ein eingespieltes und funktionsfähiges Team mit vielen Leistungsträgern mit einem erprobten und funktionierenden Geschäftsmodell.
- Ein effizientes und effektives Abwicklungssystem mit einer funktionierenden Infrastruktur (Team, Organisation, Prozesse, IT und Marketing).
- Umso transparenter und attraktiver die Firma dargestellt werden kann, umso geringer erscheinen die Risiken für einen Käufer und umso höher ist der Preis.
- Transparenz, eine gute Struktur und Dokumentation führen zu Vertrauen und einem höheren Preis.
- Hohe widerkehrende Umsätze (in Form von Abonnements) oder langfristige Service Verträge.
3) Qualitative Bewertungsmethode: Die Attraktivitätsanalyse
Die Attraktivität liegt immer im Auge des Betrachters, in diesem Fall also des Käufers. Im Wesentlichen können alle externen Käufer in drei Gruppen eingeteilt werden. Alle diese drei Käufergruppen haben ihre Eigenarten und oft ganz unterschiedliche Interessen und Vorgehensweisen beim Erwerb von Unternehmen. Die nachfolgende kurze Aufstellung verschafft einen Überblick zu den Unterschieden der drei verschiedenen Interessenslagen:
Privatinvestor | Strategischer Investor | Finanzinvestor | |
Akquisegrund |
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Zukünftige strategische Richtung |
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Unternehmensführung |
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Investment-horizont |
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Transaktionsvorgehen |
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Eine eingehende Analyse der oben beschriebenen Käufermerkmale ermöglicht die Ableitung von Investitions- bzw. Attraktivitätskriterien der einzelnen Käufergruppen. Die nachfolgende Tabelle versucht, wesentliche qualitative Kriterien für die Käufergruppen zu definieren, nach denen die Attraktivitätsanalyse durchgeführt werden kann.
Privatkäufer | Strategischer Investor | Finanzinvestor | |
Inhaberabhängigkeit | Kompensation durch Käufer | Neutral | Unattraktiv |
Mitarbeiteranzahl | Unerheblich | Neutral | Größer 25, eher 50 |
Cashflow-Höhe | Definiert Finanzierungskapazität | Neutral | Wichtig |
Arbeitseinsatz des Unternehmers | Sehr wichtig | Neutral | Wichtig |
Verkaufsstory | Wichtig | Neutral | Wichtig |
Wachstumsaussichten | Von Bedeutung | Sehr wichtig | Sehr wichtig |
Anwendung der Bewertungsmethode:
Die zu bewertende Gesellschaft wird nach den oben aufgeführten Kriterien bewertet. Anschließend wird für alle drei Käufergruppen eine Attraktivitätsbewertung für jedes einzelne Kriterium durchgeführt. Die Bewertung erfolgt in den Ampelfarben, wobei die jeweiligen Farben folgende Bedeutung haben:
Kriterium | Zahlenbeispiel Gesellschaft | Bewertungsmethode Käufergruppe | Bedeutung |
Inhaberabhängigkeit | Gering | H | Die Gesellschaft ist bezüglich dieses Kriteriums sehr attraktiv für die Käufergruppe. |
Mitarbeiteranzahl | 20-25 | H | Orange gilt als neutrale Einschätzung und somit auch nicht als unbedingter Transaktionsgrund oder Deal-Breaker. |
Cashflow Höhe | 300-400 TEUR | H | Eine rote Einschätzung wird in dieser Bewertung als Deal-Breaker gesehen. Das heißt, dass eine Transaktion daran scheitern oder zu erheblichen Preisabschlägen führen könnte. |
Warum bleiben qualitative Unternehmensmethoden oft nicht berücksichtigt?
Die qualitativen Bewertungskriterien sind leider nicht normiert oder standardisiert. Des Weiteren werden qualitative Faktoren in der akademischen Praxis sowie im Bereich Corporate Finance (also bei größeren Konzerntransaktionen) unzureichend oder gar nicht berücksichtigt. Die Gründe für die fehlende Berücksichtigung sind schnell erklärt:
- Größe spielt eine Rolle: Bei größeren Transaktionen spielen Abhängigkeiten (wie z.B. vom Inhaber, Kunden und Lieferanten) oder notwendige Verkaufsvorbereitungen (schöne Website, standardisierte Prozesse oder EDV-gestützte Systeme) ein kleinere Rolle. Dies liegt daran, dass mit der Größe einer Unternehmung viele diese Faktoren Voraussetzung für die Skalierung waren und bereits aktiv adressiert wurden und somit diese Faktoren den Unternehmenswert nicht maßgeblich beeinflussen.
- Erfahrungsmangel: Des Weiteren haben viele Gutachter, wie z.B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Professoren, wenig bis keine Erfahrung mit Firmenverkäufen mit kleineren und mittelständischen Betrieben und können ihre Erfahrungen somit nicht mit den quantitativen ermittelten Werten vergleichen.
- Fehlende Neutralität: Darüber hinaus steht eine subjektive qualitative Bewertung dem Wunsch nach einer klaren formeltechnischen „quasi“ neutralen Ermittlung und einer finalen Zahl als Wertbestimmung entgegen.
Auch mit jahrelanger Erfahrung im Bereich von Firmenverkäufen kann man die qualitativen Faktoren nicht „seriös“ formelmäßig und universell gültig in Hinblick auf ihren Beitrag und Einfluss eins zu eins auf den finalen Unternehmenskaufpreis beurteilen oder angeben. Dennoch sollte jeder Käufer oder Verkäufer sich dieser Faktoren bewusst sein und bei der optimalen Preisstrategie und den anstehenden Verhandlungen zu seinem Vorteil berücksichtigen, da sie den Wert und Kaufpreis eines KMU maßgeblich beeinflussen.
Fazit qualitative Bewertungsmethoden:
Für die Ermittlung der Kaufpreise von KMUs sollte als Bewertungsmethode nicht nur eine formelmäßige quantitative Berechnung erfolgen, da diese Werte in aller Regel preis- und wertbildende qualitative Faktoren unberücksichtigt lassen. Es sind somit eher theoretische Werte anstatt wirkliche Marktpreise für Unternehmen. Wir haben in diesem Artikel drei qualitative Bewertungsmethoden aufgeführt. Diese sind nicht als individuelle Alternativen und Bewertungsmethoden zu betrachten, sondern in einem gesamt Bewertungskontext mit den quantitativen Bewertungsergebnissen zu plausibilisieren. Die richtige Auswahl der wesentlichen Faktoren bedarf jahrelanger Erfahrung im Verkauf von KMUs. Deshalb empfehlen wir verkaufswilligen Verkäufern bei der Kaufpreisfestlegung einen erfahrenen und langjährig erprobten Unternehmensverkäufer als Berater zu konsultieren.